Dies ist ein Erfahrungsbericht, den ich nach meinem ersten Meditationsretreat überhaupt, ein 10-Tages Goenkaji Vipassana Retreat im Dhamma Center of British Columbia im Frühjahr 2002 geschrieben habe. Zufällig habe ich ihn beim Suchen von etwas anderem tief in meinem Kompi drin wieder gefunden, und ich habe es spannend gefunden zu lesen, wie es einem Greenhorn in einem ersten, tiefgehenden Meditationsretreat so geht. Es ist als Email an Freund/Innen geschrieben und ich habe nichts daran verändert.

Hallihallo ihr Lieben

Also ich bin zurück und ich hoffe es geht euch allen gut. Ich wollte euch einen kurzen Erfahrungsbericht schicken, es wurde aber ein langer draus und auch dies wird dem ganzen noch nicht gerecht…..müsst euch halt Zeit nehmen oder deleten….

Ich habe wohl noch nie so intensive 10 Tage verbracht in meinem Leben. Ich habe viel gelernt über Meditation, Buddhismus, Spiritualität, Naturphilosophie, Leiden, Ekstase, Craving, Aversion, Tiefenpsychologie, und alles nicht in einem intellektuellen, theoretischen Kontext, sondern in Praxis am eigenen Körper. Ja, dies alles wird wahrscheinlich für einige etwas seltsam tönen, für alle die Erfahrung haben mit solchen Dingen, die können eher nachvollziehen was ich meine….

Die Situation ist die folgende: Ein Haus irgendwo im kanadischen Wald, gesichert mit einem Bärenhaag, die eine Seite gefüllt mit Männern, die andere mit Frauen. Die Geschlechter sind strikte getrennt, es herrscht “noble silence”, was auch Kommunikation mit Gesten oder Augenkontakt etc. ausschliesst. Dh du bist 10 Tage vollständig mit dir allein (ward ihr schon mal 10 Tage allein mit Adi Wirth, ei ei ei…), du kannst mit dem Meditationsleiter sprechen und sie unterstützen dich, helfen dir wenns nicht mehr weitergeht. Es gibt einen kleinen Auslauf, wo du in den Pausen deine Runden drehen kannst (wie im Gefängnis). Time table: Tagwach angenehm um 4 Uhr morgens, 2 Stunden Meditation, Morgenessen, 7-11 Uhr Meditation, Mittagessen, 1-5 Meditation, Teabreak, 6-9 Meditation und Diskurs über Vidiotape des Teachers aus Indien (sensationell!), Schlaf. Also das macht sageundschreibe so gegen die 11 Stunden sitzen pro Tag und da wird das weichste Kissen bald mal hart wie Kruppstahl….

Meditation:

Die Methode heisst Vipassana und ist die Methode mit der der gute alte Siddharta Gothamma seinerzeit die Erleuchtung erlangt hat. Nun das spezielle daran ist eben, das es eine Mischung ist aus tiefenpsychologischer Selbsttherapie und der Erforschung der Natur innerhalb deiner Körper-

Geist-Struktur und damit die Erforschung der letztendlichen Wahrheit über alles Sein. Zuerst lernst du 3 Tage lang nur dich auf deinen Atem zu konzentrieren, kleine feine Empfindungen rund um die Nase zu spüren. Dann, wenn der Geist geschärft ist, beginnt Vipassana. Du startest oben auf dem Kopf und fokussierst deinen Geist auf die Oberfläche deines Körpers, Stück für Stück, bis zu den Zehspitzen. Mit zunehmender Übung spürst du immer feinere und feinere Empfindungen. Diese feinen Empfindungen können sich bei guter Konzentration auf den Moment, bei total fokussierter Beobachtung bald mal zu einem fliessendem Strom verbinden. Dies ist natürlich sehr angenehm und gleichzeitig sehr gefährlich für das eigentliche Ziel…. das andere Ende des Empfindungsspektrums ist intensiver Schmerz in allen Variationen (va. vom Sitzen, aber auch transformierter psychischer Schmerz). Also das Ziel ist die Befreiung von allem Jammer und Elend und schlussendlich als höchstes spirituelles Ziel die Erleuchtung und die transzendente Erfahrung der Natur (Dhamma) jenseits aller Beschreibungsmöglichkeiten. Buddhas Entdeckung war, dass die Wurzel alles Elendes (misery= Elend, Jammer, Trübsal) in festgefahrenen Reaktionsmustern des Unterbewusstseins zu suchen ist. Das Unterbewusstsein reagiert auf sämtliche Objekte die wir von der Umwelt wahrnehmen entweder mit craving (das ist schön, das gefällt mir, von dem will ich mehr…) oder mit aversion (das gefällt mir nicht, das tut weh, weg damit…..). Diese Reaktionsmuster mögen ja evolutiv sehr sinnvoll sein, um das Überleben zu sichern, sind aber in unserem Leben verantwortlich für Unzufriedenheit und Leid. Nun, er stellte fest, dass das Unterbewusstsein (UB) immer im ständigen Kontakt steht mit dem Körper. Das UB reagiert auf sämtliche Empfindungen des Körpers, zb. auch im Schlaf. Die feinen Empfindungen, die man nach einer gewissen Zeit überall im Körper spüren kann, und der Schmerz stellen also die beobachtbare Verbindung zwischen Bewusstsein und UB. Wenn man nun Schmerz erfährt während der Meditation, als extrem unerfreuliche Empfindung, oder Ekstase, fliessender Strom, Rush durch den ganzen Körper als extrem erfreuliches Erlebnis, dann reagiert das UB gewöhnlich mit Craving oder Aversion. Das wichtigste Ziel während dieser 10 Tage ist einerseits den Geist so zu schärfen, dass man die ganz feinen Empfindungen als Verbindung zum UB wahrnehmen kann und andererseits die Entwicklung von Gleichmut, Gelassenheit gegenüber diesen Empfindungen. Wenn es dir also gelingt, gegenüber Schmerz oder Ekstase Gleichmut und Balance des Geistes zu bewahren, dann beginnst du die alten festgefahrenen Reaktionsmuster von Craving und Aversion des UB langsam langsam aufzuweichen. Das Ziel “Befreiung von allem Leid” ist also, das UB so zu trainieren, das es nicht mehr in den alten Reaktionsmustern arbeitet und du allem im Leben gegenüber mit Gleichmut und Gelassenheit begegnen kannst. Dies ist der eine Teil, der Benefit der dein Leben bei kontinuierlichen Praxis bald mal leichter machen kann. Eenn all die alten Aversion-Craving-Muster aufgelöst sind (wenn sich das Ego auflöst), dann kommt das pure Dhamma (Natur, Gesetz der Natur, Wahrheit) zum Vorschein, nämlich Liebe, Mitgefühl etc.. Mit fortgeschrittener Technik kommst du in den Bereich, wo sich dein Körper auflöst und du innerhalb deines eigenen Geist-Körper-Framework erfährst, dass das ganze Phänomen von Geist und Materie eigentlich nichts ist als Vibration, als Schwingung von Teilchen, nichts Permanentes, ein Auftauchen und Verschwinden, ein Entstehen und Sterben, ein immer währender kontinuierlicher Wandel (anicca).

Meine Erfahrung:

Während der ganzen 10 Tage, je nach Sitzung, wandert der Geist immer wieder weg von der eigentlichen Arbeit, dem Fokussieren auf den eigenen Körper, auf den Moment. Da erscheinen endlose Stories aus der Vergangenheit plötzlich vor deinem geistigen Auge, zT in unglaublicher Klarheit mit längst vergessen geglaubten Details, zT sogar in ganz deutlichen Visionen. Manchmal erscheinen Traum ähnliche Sachen, Gedankenschrot (?), Symbole (?), vor deinem Auge, dann wieder spinnst du unendliche Geschichten für die Zukunft….dies zeigt schön, dass das Bewusstsein nicht trainiert ist, sich auf den Moment, auf die erfahrbare Wahrheit des Momentes zu konzentrieren, immer wandert es in die Zukunft oder in die Vergangenheit, und immer kreiert es Situationen, die aus dem Aversion-Craving Muster her stammen. Ich sah viele verschiedene Personen, va. unbekannte in erschreckender Klarheit. Da war zB eine alte Grossmutter auf einer Bank, ganz herzig und friedlich und im nächsten Augenblick verwandelte sie sich in ein furchtbares Monster…uhhhh. Dann wieder eine lebhaft bewegte Vision vom Rössli-Hüh!!! (Da stellt man sich schon hier und da die Frage, ob man eigentlich normal ist……).

So ging das auf und ab, am 2. Tag, wie fast alle anderen auch, beginnt das richtige Leiden zum ersten mal. Was mache ich hier, ich schmeiss den Bettel hin, was soll das, usw. Dann während dem abendlichen Videodiskurs werden alle Fragen beantwortet und man realisiert, dass man genau auf dem richtigen Weg ist, man schöpft neuen Mut…dann Tag 7: ein harter, verzweifelter Tag mit viel mentalen und physischen Schmerzen und dann, nach 77 stunden Leiden und Fragen, ein absolutes ekstatisches Erlebnis, wie ich es mit MDMA nie erlebt habe, unglaublich in der Intensität, mir kamen die Tränen vor Gerührtheit und Freude, absolut wahnsinnig…. ich nahm das Geschenk von Dionysos mit offenen Armen an rannte damit Kopf voran in die Falle des Craving. Am nächsten Tag versuchte ich unbewusst oder bewusst immer wieder dieses schöne Fliessen der Vibrations zu spüren, und erhielt nichts als taube Flecken, ohne Empfindungen und Schmerz. Eine schöne Vipassana Lektion: was auch immer du als momentane Wahrheit beobachtest an Empfindungen, bleib gleichmütig, balanced……nicht ganz so einfach… also von vorne beginnen, schnaufen, beobachten, schnaufen, beobachten, gaaaaaaanz ruhig, sooooo gleichmütig…… und der verdammte Schmerz im Knie, das Gekitzel in der Nase, schnaufen, beobachten…..ruhig, ruhig bleiben……. Noch einige Male erreichte ich den Zustand dieser ekstatisch fliessenden Vibs, aber nicht mehr so intensiv, sonst viel viel physischer Schmerz (du sollst eine ganze Stunde dich nicht bewegen….) und schwankender Erfolg darauf mit Gleichmut zu reagieren. 2 mal erreichte ich einen Zustand, wo sich der Körper praktisch aufgelöst hat und ich (wer ich????, nach diesem Zustand beginnt das no I, no me, no mine) nur noch aus einem kleinen Punkt im Rücken, Atmung und dem Bewusstsein bestand.

Die ganzen 10 tage war wie ein psychedelischer Trip im Zeitlupentempo, gepaart mit harter psychischer und physischer Arbeit. Die Erlebnisse waren alle total auf dem unmittelbaren Erfahrungslevel und damit mit Worten nur schwer zu beschreiben. Ich sehe den (spirituellen) Weg klar vor mir, die ersten Schritte sind gemacht, der Weg ist unendlich lang und die Realität beginnt bereits wieder diese Erlebnisse zuzuschütten mit allerlei unnützem Alltagsballast. Ich bin überzeugt, dass das Erleuchtungserlebnis von Buddha von der Qualität her ein klassisches mystisches Erlebnis war, wie ich es dank den Zauberpilzen im Herbst erleben durfte. Dort wurde mein Ego (dh. ua meine normalen, festgefahrenen, Objekt-Subjekt Verhältnis kreierenden Verhaltensmuster im UB) von der Zauberkraft (oder vom Psilocybin, je nach Glaubensrichtung) weggewischt. Was blieb war die überwältigende Erfahrung vom reinem Dhamma, von Liebe, Mitgefühl, Licht etc…. nun dieses Ego kann mit der Vipassana Methode nachhaltig so verändert werden, dass eben Liebe und Mitgefühl (und kein Aversion/Craving als Reaktionsmuster des UB) so präsent sind, wie sie eben bei Buddha, Jesus und anderen religionsgründenen Mystikern charakteristisch sind (so wird Jesus gekreuzigt und seine Reaktion ist nichts als Liebe und Mitgefühl!).

Nun der Weg dahin (bis das Bewusstsein rein ist und nur noch Liebe und Mitgefühl da sind) ist lang und braucht gemäss buddhistischem Glauben meistens mehrere Leben. Wie dem auch sei, die Methode bringt auch hier und jetzt gewaltige Verbesserungen. Wenn man allem etwas gleichmütiger, gelassener begegnen kann, mehr Liebe und Mitgefühl lebt, frei von egoistischen, selbstzentrierten Craving/Aversion-Verhaltensmuster, dann ist nicht nur dir selber gedient (mehr innerer Friede, Freude, Happiness), sondern auch allen anderen Lebewesen auf dieser Erde.

So weit so gut, dies ist der Bericht, noch Fragen?? Macht das Sinn? Versteht man da was?? Für alle die mehr wissen wollen:

HYPERLINK „http://www.dhamma.org“ www.dhamma.org, eine solche Erfahrung kann ich allen empfehlen…..

Also ich wünsch euch allen einen prächtigen Vorsommer, alles alles Liebe und hebed Sorg

herzlichst umarmt Adi